Lebenswehwehchen wegstecken…

Es ist mir jetzt mehrmals so widerfahren, dass ich in mittelguter bis schlechter Stimmung aufgrund von Kleinigkeiten, Widrigkeiten die das Leben halt so mit sich bringen kann zum Handicapklettern gefahren bin, um die Leute dort als Kletterguide zu unterstützen. Und um es mal etwas drastisch und plakativ zu formulieren: Ich kam depressiv an und ging glücklich und in Freude wieder nach Hause.

Diese „Wandlung“ schreib ich den Leuten zu, die mit ihrem Handicap die Wände hoch klettern. Ich erlebe da so viel Freude, so viel Leuchten und Strahlen in den Augen, so viel Zuversicht und über sich Hinauswachsen, dass es auf mich abfärbt und ich ein wenig schamvoll meine kleinen Lebenswehwehchen heimlich wegstecke und mich anstecken lasse. Ganz egoistisch!

Ich hab das jetzt mehrfach für mich hinterfragt auch weil da zuerst ein schlechtes Gewissen mit im Spiel war, so in etwa: weil andere noch größere Herausforderungen haben im Leben, werden meine Wehwechen kleiner und relativierbarer…
Nein!
Mir ist klar geworden, dass ich da von einer Kompetenz lernen darf, die mir diese Menschen vorleben. Diese Menschen werden durch ihr Schicksal dazu aufgefordert diese Fragen, die wir ja alle kennen, in einer rigorosen Tiefe zu beantworten:

Wie gehe ich mit Hindernissen um?

Wie bleibe ich bei der Lebensfreude?

Wie kann ich scheinbar Unmögliches wagen?

Wie geh ich mit Rückschlägen um?

Mit welcher Sanftheit kann ich der Härte des Lebens begegnen?

Wie umarme ich mein Schicksal und lass dadurch Schönheit entstehen?

Die Antworten auf diese Fragen, werden mir bei unserem Handicapklettern vorgelebt und da lasse ich mich gerne anstecken und lerne gerne und manchmal trau ich mich dann auch, für mein Leben erste Antworten zu finden.

Stephan Straub, Kletterguide