Kletter dich frei!

Was es bedeutet, etwas zu tun, wovon die meisten denken, dass es gar nicht gehen kann, hiervon möchten wir ein wenig erzählen:
Von Menschen, die trotz einem Handicap die Wände hochklettern.

Handbuch Handicapklettern

In den letzten Jahren konnten wir einiges an Erfahrung und spezifischem Fachwissen sammeln was das Klettern mit Menschen mit Handicap angeht. Wir hatten den Wunsch, dieses Wissen mal zu bündeln und so ist dieses Handbuch entstanden! Wir können Dir gerne dieses Handbuch als pdf zukommen lassen…

Jürgens großer Traum

Therapieform Klettern!

Mein Traum: Menschen mit Behinderung eine neue Sichtweise geben und das Leben trotz einer Einschränkung lebenswert machen!

Jürgen klettert mit Handicap
Jürgen Heider klettert trotz Handicap

Menschsein bedeutet leider häufig auch, mit Schicksalen umzugehen, die dann im Alltag bewältigt werden müssen. Dies gelingt mir immer wieder und letztendlich auch durch ein von Aktion Mensch gefördertes Projekt an welchem ich teilnehmen konnte.
Seit über zwei Jahren gibt es im wunderschönen Freiburg/Breisgau eine Klettergruppe für Menschen mit Behinderung. Der erlebnispädagogische Verein N.E.W.-Institut aus Freiburg konnte in Zusammenarbeit mit dem DAV Freiburg dieses Projekt Wirklichkeit werden lassen.
Für mich bedeutet das auch, Menschen mit Behinderung eine weitere „Therapieform“ als die klassische Physiotherapie zu kommen zu lassen.
Zu sehen, wie sich die Teilnehmenden mit ihren Handicaps klettertechnisch weiter entwickeln aber auch therapeutische Erfolge dadurch erzielen finde ich faszinierend und ist ein großer Erfolg für beide Seiten.

Dieser Kletterweg begleitet mich nun schon sehr lange und nun soll es weiter gehen! Ich habe da eine Vision: Ich möchte einen Film über mich und uns und das Klettern für Menschen mit Handicap machen.
Wir wollen zeigen wie Menschen wie in meinem Falle mit einer infantilen Zerebralparese das Klettern am Seil meistern können.
Mein Wunsch dazu: Das Klettern als Therapieform für Jugendliche und Erwachse mit beispielsweise einem neurologischen Krankheitsbild anzuwenden und eines Tages zur gesetzlichen Leistung der Krankenkassen zu machen.

Deswegen soll der Film auch wissenschaftlich begleitet werden, um die Therapieerfolge zu messen und zu validieren!
Deshalb möchte ich hier ganz frech diverse Hochschulen und Institute aufrufen zu partizipieren und uns auf dieser Reise zu begleiten.
Ach ja, und dann such ich noch einen Sponsor für den Film!
Wir freuen uns über jeden Kontakt und jede Rückfrage!

Jürgen Heider

Klettern mit Orthesen

von Jürgen Heider

Das war echt super!

„Haben heute was neues ausprobiert, klettern mit Orthesen“ Geht das überhaupt und wenn ja  wie? Ja es geht und es war echt super.

Klettern mit Orthesen
Jürgen klettert mit seinen Orthesenschuhen

Es war ein Donnerstagnachmittag im November  als mein Trainer mich mit seinem Auto von zuhause abgeholt hat und wir die Kletterhalle anfuhren. In der Halle begann mein Staunen über die ganzen farbigen Routen und  ich wollte sofort losklettern, wie damals in der Schule oder bei einem Kurs der Lebenshilfe.

Es war so als würde ich wieder Nachhause kommen, denn vor paar Jahren begann unser Projekt für Menschen mit Behinderung in dieser Halle.

Also war mir nichts neu, außer dass ich  diesmal mit Orthesen geklettert bin. Es ist zwar für Außenstehende ungewöhnlich anzusehen, das einer mit einer Nancy Hylton Orthese klettert und nicht in den typischen Kletterschuhen, aber für mich war das ein gutes Gefühl. Ich nutze meine Orthesen im Alltag, sie geben mir Sicherheit beim Gehen.
Nach dem der Klettergurt angelegt war und das Seil zum Sichern auch da war, ging es los.

„Wenn du kletterst, vergisst du für zehn Minuten dein Alter“ Es ist zwar nicht leicht das Ziel oben wegen der körperlichen Fehlstellung zu erreichen, aber es ist ein geiles Gefühl was man in der Sekunde fühlt.

Mein Weg ist das Ziel sage ich immer und so ist es auch beim Klettern. Versuch es doch mal … trau dich und setze dir Ziele, wie ich der das Klettern mit Orthesen macht. Außergewöhnlich aber sehr gut und bringt dich im Leben weiter.

Orthese und Klettern
Jürgens Orthese

Jürgen Heider

           

Hier war ich nicht zum letzten Mal!

Nicolas klettert!

Ich heiße Nicolas und bin 15 Jahre alt.
Bedingt durch meinen Gendefekt habe ich seit Geburt einige Handicaps. Das Schwerwiegendste ist wo hl meine Skoliose. Aber das kann meine Lebensfreude nicht trüben…
Seit Ende 2018 bin ich begeisterter Besucher (und bereits Kletterer) der Kletterhalle DAV Freiburg.
Und das kam alles so….
Schon vor vielen Jahren riet mein Osteopath aus Bayern meinen Eltern mit mir klettern zu gehen. Klettern? Nicht gerade etwas Gewöhnliches damals für unsere Family. Meine Eltern immer sehr vertrauend auf die Ratschläge meines Osteopathen und meist Rat folgend (er ist klasse!!) waren dieses Mal ordentlich desorientiert. Sie fragten sich „wie und wo können wir dies für Nicolas möglich machen“?? Und so war das Thema erst mal für lange Zeit vom Tisch…
Bedingt durch einen großen Wachstumsschub verschlechterte sich 2016 meine Skoliose trotz vieler Therapien stark. Und so kam es, dass meine Eltern mit der Zeit endgültig begannen das Thema „Klettern“ in die Tat umzusetzen. Und das war entgegen dem Kopfzerbrechen in der Vergangenheit plötzlich ganz easy.
Beim Googeln stießen wir spontan auf den Deutschen Alpenverein Freiburg, welchen wir von Anfang an favorisierten. Irgendwie zog es uns magisch dahin. Der Zweifel, ob es da auch Leute oder Trainer gibt, die mich beim Klettern begleiten können, wurde bei der ersten Kontaktaufnahme ausgeräumt. Zu unserer Überraschung erfuhren wir, dass sogar regelmäßige Treffs mit Menschen mit Handicap und ehrenamtlich aktiven Trainer*innen des DAV und des Erlebnispädagogikvereins N.E.W.-Institut stattfinden, bei denen so besondere Menschen wie ich spielerisch in den Genuss des Kletterns kommen.
Nach dem ersten Besuch kurz vor Weihnachten war klar, hier war ich nicht zum letzten Mal! Es hat mir so etwas von Spaß gemacht… Ich durfte ganz tolle und herzliche Menschen kennen lernen, die neben ihrer Offenheit für „Anders-Sein“ noch richtig Ahnung vom Klettern haben. Und ich durfte Josephine kennen lernen. Die war mir auf Anhieb sympathisch. Irgendwie ahnte ich, dass sie für meine Bedürfnisse ganz besondere Voraussetzungen mitbringt. Nach mehreren Treffs betätigte sich dies und wir erfuhren von Ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin. Da gibt es wohl nichts mehr hinzuzufügen.
Mittlerweile fahre ich regelmäßig zum Klettern in die Kletterhalle nach Freiburg. Und das bedeutet 55 km hin und 55 km zurück. (Wenn sich Mama verfährt, sind es noch einige Kilometer mehr).
Es ist etwas ganz Besonderes für mich, es stärkt mein Selbstvertrauen und meine Wirbelsäule profitiert allemal.

Denn der Weg ist hier das Ziel!

Klettern bedeutet für mich, Grenzen neu zu erfahren, und diese neu auszuloten, Schritt-für-Schritt, Zug-um-Zug, Griff für Griff, immer weiter nach oben zu gelangen.  Sich dabeì ständig selbst zu reflektieren was geht, was heute nicht mehr geht, was zu schaffen ist, usw… 

Marco aufm Weg…

Was kann der Mensch im Team zusätzlich erreichen  und wie weit können wir zusammen kommen? Das ist für mich das Entscheidende: Die Gemeinsamkeit von Menschen in der Gruppe mit und ohne Behinderung. Denn nur gemeinsam erreichen wir das Ziel dynamisch und aktiv.
Nie aufgeben – bis zum nächsten Griff, immer weiter… hoch hinaus!
Denn der Weg ist hier das Ziel.
Das ist für mich der unaufhörliche Reiz am Klettern FÜR ALLE !!!
Marco Dorer

Übrigens, Marco hat ein faszinierendes Buch geschrieben.
Das könnt ihr über seine website bestellen:
www.marco-dorer.de

Dann geh für die Menschen…

Ich bin praktisch schon mein ganzes Leben lang geklettert.

Mal mehr, mal weniger, und in den letzten Jahren eigentlich gar nicht mehr.

Vor vierzehn Monaten konnte ich mich nach einer plötzlichen Erkrankung dann überhaupt nicht mehr bewegen. Nicht einmal mehr den Arm heben konnte ich, geschweige denn zur Toilette gehen.

Ich war insgesamt 10 Wochen im Krankenhaus und in der Reha und als ich endlich nachhause kam, war ich schon wieder viel fitter: Den Arm konnte ich jetzt heben, die Treppe konnte ich mit Hilfe hochgehen. Komplett alleine Laufen hat allerdings noch nicht geklappt und mein Gleichgewicht hat sich auch geweigert, ‚normal‘ zu funktionieren.

Mein Papa kam dann ziemlich schnell mit der Idee klettern zu gehen, um mein Gehirn zu trainieren und meine Ausdauer und Koordination aber auch meine Augen, mit denen ich nur doppelt sehen konnte.

Also sind wir klettern gegangen.

Erst war es zwar etwas seltsam nach so langer Zeit mal wieder so weit oben zu sein, aber dann habe ich mich einigermaßen daran gewöhnt. Trotzdem war ich froh, als ich danach wieder festen Boden unter meinen Füßen spüren konnte.

Die erste Route war also kein Problem für mich, aber die zweite Route die ich an diesem Tag probiert habe musste ich abbrechen weil es zu anstrengend war.
Aber ich ging trotzdem mit einem Erfolgserlebnis nachhause.

Alles in allem ist das Klettern einfach eine wirklich gute Sache, um als körperlich gehandicapte, aber auch als komplett gesunde Person in Bewegung zu kommen. Auch wenn es mir mittlerweile leichter fällt als damals, ist es immer noch eine Überwindung, den Gurt anzulegen und dann eine praktisch glatte Wand hochzugehen, aber es zahlt sich immer positiv aus.

Es gibt, glaube ich, kein besseres Gefühl, als langsam fitter im eigenen Körper zu werden und Kraft zu spüren, die man lange nicht gespürt hat oder gar nicht wusste, dass man sie spüren kann.

Vor vierzehn Monaten lag ich in meinem Krankenhausbett und hatte keine Ahnung, was mit mir ist. Ich habe nicht intensiv darüber nachgedacht, was wohl wäre, wenn ich nie wieder laufen könnte, aber jetzt im Nachhinein kommt mir dieser Gedanke schon: Was wäre gewesen wenn...

Hätte mir eine Person damals gesagt, dass ich in ein paar wenigen Monaten in der Kletterhalle stehen werde, einen Gurt und Schuhe anlege und die Wand hochklettern würde, hätte ich sie wahrscheinlich ausgelacht. Und dann hätte ich geweint, weil ich es vermisst habe, mich zu bewegen.

Alle sollten sich glücklich schätzen, die morgens aufstehen können und die Möglichkeit haben, klettern zu gehen oder eine andere Sportart zu machen.

Niemand sollte das jemals als selbstverständlich ansehen!

Wenn du nicht für dich selbst kletterst, dann geh für die Menschen, die nicht in der Lage dazu sind! Denn die würden wirklich alles dafür geben.

Malou S.

Lebenswehwehchen wegstecken…

Es ist mir jetzt mehrmals so widerfahren, dass ich in mittelguter bis schlechter Stimmung aufgrund von Kleinigkeiten, Widrigkeiten die das Leben halt so mit sich bringen kann zum Handicapklettern gefahren bin, um die Leute dort als Kletterguide zu unterstützen. Und um es mal etwas drastisch und plakativ zu formulieren: Ich kam depressiv an und ging glücklich und in Freude wieder nach Hause.

Diese „Wandlung“ schreib ich den Leuten zu, die mit ihrem Handicap die Wände hoch klettern. Ich erlebe da so viel Freude, so viel Leuchten und Strahlen in den Augen, so viel Zuversicht und über sich Hinauswachsen, dass es auf mich abfärbt und ich ein wenig schamvoll meine kleinen Lebenswehwehchen heimlich wegstecke und mich anstecken lasse. Ganz egoistisch!

Ich hab das jetzt mehrfach für mich hinterfragt auch weil da zuerst ein schlechtes Gewissen mit im Spiel war, so in etwa: weil andere noch größere Herausforderungen haben im Leben, werden meine Wehwechen kleiner und relativierbarer…
Nein!
Mir ist klar geworden, dass ich da von einer Kompetenz lernen darf, die mir diese Menschen vorleben. Diese Menschen werden durch ihr Schicksal dazu aufgefordert diese Fragen, die wir ja alle kennen, in einer rigorosen Tiefe zu beantworten:

Wie gehe ich mit Hindernissen um?

Wie bleibe ich bei der Lebensfreude?

Wie kann ich scheinbar Unmögliches wagen?

Wie geh ich mit Rückschlägen um?

Mit welcher Sanftheit kann ich der Härte des Lebens begegnen?

Wie umarme ich mein Schicksal und lass dadurch Schönheit entstehen?

Die Antworten auf diese Fragen, werden mir bei unserem Handicapklettern vorgelebt und da lasse ich mich gerne anstecken und lerne gerne und manchmal trau ich mich dann auch, für mein Leben erste Antworten zu finden.

Stephan Straub, Kletterguide

Sport! Tatsächlich wieder Sport!

So geht es mir manchmal durch den Kopf, wenn ich klettere.

Natürlich ist das runtergebrochen auf mein Niveau. Ich habe eine neurologische Erkrankung und meine Kräfte und Bewegungsmöglichkeiten sind eingeschränkt. Doch durch die Unterstützung der Helfer*innen klettern zu können bedeutet für mich, mich herrlich lebendig zu fühlen und es gibt mir ein Gefühl von „dazugehören“, mittendrin zu sein. Das Klettern stärkt meine Muskeln, mein Gleichgewicht, meine Koordination, sprich: meine Gesundheit. Über das Körperliche hinaus! Nach dem Klettern bin ich müde, ausgepowert – und voller Freude!

Ein großes Dankeschön an alle, die mir/uns das ermöglichen!

Christine

Kann nicht gibt’s nicht!

Hey Denise, was reizt Dich am Klettern?
Das ich alleine und ohne fremde Hilfe- natürlich bis auf die Sicherungspartner*in- die glatte Wand hochklettern kann.

Hey Denise, was gibt dir das Klettern?
Das ich ausgepowert bin und was erreicht habe.

Hey Denise, welche besonderen Momente hast du beim Klettern?
Am echten Fels zu klettern war was besonderes!
– Das es nach meinem Tempo geht und ohne Stress, das mag ich.
– Wenn ich ganz oben bin und dann runtergelassen werde…!


Hey Denise, was empfiehlst du anderen Menschen mit Handicap, sollen die das auch mal ausprobieren?
Kann nicht gibt’s nicht! Immer probieren!

Denise

Es gibt immer einen Weg!

Fine und Nadja

Ich bin total begeistert und fasziniert vom Klettern. Früher, als Fußgängerin habe ich das bereits sehr gerne gemacht und vor allem die Freiheit dabei genossen.
Heute, mit einer neurologischen Erkrankung, darf ich noch weitere Aspekte kennenlernen: Dadurch, dass ich mich alleine (noch) nicht gut stabilisieren kann, habe ich jemanden der beiklettert. Das bedeutet, dass eine Person neben mir klettert und mir hilft meine Beine zu stabilisieren. Dadurch erlebe ich vor allem das gemeinsame Klettern. Hilfe anzunehmen ist für mich im Alltag nicht immer leicht, aber beim Klettern fühlt es sich sehr natürlich an: Jede*r ist beim Klettern auf den Sicherungspartner angewiesen, egal ob mit Behinderung oder ohne. Und bei mir klettert eben noch eine Person mit! Gegenseitiges Vertrauen gehört beim Klettern für jede*n dazu und das erlebe ich auf Augenhöhe.
Was hinzu kommt, dass es meinem Körper sehr gut tut. Durch das viele Sitzen und Fahren im Rollstuhl, freue ich mich über alle Gelegenheiten in aufrechter Position. Und ich freue mich, auf Augenhöhe zu agieren!
Ich merke, wie ich herausgefordert werde und ich spüre nach dem Klettern immer vermeintlich neue Muskelpartien. Ich habe die Gelegenheit neben meinen starken Armen auch meine nicht-immer funktionierenden Beine mitzubenutzen und zu trainieren. Das macht für mich den Reiz aus. Auch wenn es sich nicht nach Therapie anfühlt, ist es unheimlich wohltuend und herausfordernd zugleich. Und es macht wahnsinnig viel Spaß. Ich freue mich jetzt schon auf weitere Kletternachmittage und sehe noch unendlich viele Möglichkeiten. Ich empfehle nicht nur Menschen mit Behinderung, das Klettern auch mal auszuprobieren. Es ist auf eine erfrischende Art sehr herausfordernd und es lehrt etwas sehr Wichtiges:
Es gibt immer einen Weg.

Nadja Veroeven, Freiburg